Was wird da eigentlich genau aus dem Kamin ausgestossen?
Eines der auffälligsten Wiedererkennungsmerkmale der Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Thun wie auch des Holzkraftwerks (HKW) Aarberg ist die imposante weisse Wolke aus dem Kamin. Wenn man sich vor Augen führt, welche Arten von Abfällen insbesondere in der KVA Thun thermisch verwertet werden, darf man sich durchaus Gedanken über die Umweltverträglichkeit dieser Wolke machen. Was wird hier also ganz genau ausgestossen?
Wasserdampffahne bei der KVA Thun
Aufnahme: Marc Avondet, Uetendorf
Wasserdampffahne bei der KVA Thun
Wasserdampffahne beim HKW Aarberg
Wasserdampffahne beim HKW Aarberg
Zusammensetzung
Ausgestossen wird sogenanntes «Reingas». Im Falle der KVA Thun handelt es sich dabei um ca. 140 °C warme Luft, die in einer Menge von rund 73'000 Kubikmetern pro Stunde über den Kamin abgeführt wird. Beim HKW Aarberg beträgt die Temperatur noch ca. 80 °C. Dieses Reingas enthält CO2, NOX (Stickoxide, die beispielsweise auch beim Verbrennen von gewöhnlichem Brennholz entstehen), Sauerstoff, Stickstoff und Wasserdampf. Damit wird also nichts ausgestossen, dass nicht ohnehin schon in der Luft enthalten ist; einzig die mengenmässige Zusammensetzung unterscheidet sich von gewöhnlicher Umgebungsluft. Darüber hinaus ist das Reingas in jedem Fall geruchlos und frei von sämtlichen Feststoffen.
Die typische weisse Wolke ist überwiegend im Winter zu sehen, wenn die Umgebungsluft ausreichend kalt ist. Dann spricht man von einer sogenannten «Wasserdampffahne». Bei diesem sichtbaren Teil handelt es sich um Wasser, das beim Verbrennungsprozess natürlicherweise freigesetzt wird und aufgrund des Temperaturunterschieds kondensiert. Damit ist diese Wasserdampffahne vergleichbar mit dem sichtbaren Hauch, der beim Atmen in der Kälte entsteht.
Wie wird das Rauchgas gereinigt?
- In der KVA Thun werden jedes Jahr rund 130'000 to Kehricht verwertet. Die angelieferten Abfälle stammen überwiegend aus den Privathaushalten im AVAG-Einzugsgebiet sowie dem hier ansässigen Gewerbe. Bei der Verbrennung der Abfälle, woraus nachhaltige Energie produziert wird, entsteht sogenanntes Rauchgas. Dieses wird in einem vierstufigen Prozess gereinigt:
- In einem ersten Schritt werden mithilfe eines Elektrofilters Staub und andere Feststoffe entfernt.
- Anschliessend wird das Rauchgas auf einen Katalysator geführt, der die darin enthaltenen Stickoxide bis unter den gesetzlich festgelegten Grenzwert reduziert.
- In der nassen Rauchgasreinigung werden diverse weitere Schadstoffe mit Wasser aus dem Rauchgas gespült. Das Wasser wird danach ebenfalls direkt in der KVA Thun in der ABA/FLUWA («Abwasserbehandlungsanlage»/«Flugaschenwäsche») gereinigt.
- An dieser Stelle wäre das Rauchgas bereits ausreichend gereinigt, um unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte wieder in die Umgebungsluft abgegeben zu werden. Lediglich als Sicherheitsstufe wird dem verbliebenen Gas in einem vierten Schritt Aktivkohle beigemischt. Damit wird garantiert, dass auch die allerletzten noch verbliebenen Schadstoffe aus dem Gas gefiltert wurden.
- Anders als in der KVA Thun wird im HKW Aarberg kein Kehricht sondern in der Schweiz anfallendes Altholz verwertet. Dabei kann es sich von naturbelassenem Altholz bis hin zu schwerbelasteten Holzabfällen wie beispielsweise Bahnschwellen handeln. Jährlich werden dabei rund 70'000 to Altholz in nachhaltige, CO2-neutrale Energie umgewandelt und in Form von Strom, Fernwärme und Prozessdampf bereitgestellt.
- Natürlich entsteht auch bei der Verbrennung des Altholzes Rauchgas, dass nicht einfach so an die Umgebungsluft abgegeben werden kann. Der Rauchgasreinigungsprozess durchläuft auch im HKW Aarberg vier Stufen, funktioniert aber ein wenig anders als die Reinigung in der KVA Thun:
- Zunächst wird mithilfe eines Zyklons Staub aus dem Rauchgas entfernt. Darin wird die Luft extrem hoch beschleunigt, wodurch enthaltene Feststoffe herausgeschleudert und abgesondert werden – ähnlich einem modernen Staubsauger.
- In der anschliessenden trockenen Rauchgasreinigung wird sogenanntes Bikarbonat beigemischt. Dieser Stoff fängt sämtliche sauren Schadstoffe ein und ist vergleichbar mit der abschliessenden Sicherheitsstufe im Reinigungsprozess der KVA Thun.
- Danach wird die verbleibende Luft durch einen Gewebefilter geführt, um allerletzte Feststoffreste herauszufiltern.
- In einer letzten Stufe werden mithilfe eines Katalysators Stickoxide reduziert.
Luftreinhalteverordnung
Selbstverständlich gibt es strenge, gesetzlich festgelegte Grenzwerte für diverse Schadstoffe. Grundlage für diese Grenzwerte bildet die nationale Luftreinhalteverordnung (LRV). Die AVAG hat mit den Behörden sogenannte Garantiewerte vereinbart, die weit über die Vorgaben aus der LRV hinausgehen. Und selbst diese strengeren Garantiewerte konnten bisher immer nicht nur eingehalten, sondern teilweise massiv unterschritten werden.
Die Einhaltung der Grenzwerte wird laufend und direkt vor Ort gemessen. Die Messung erfolgt dabei zwar durch die AVAG selbst, jedoch hat der Kanton direkten Zugriff auf sämtliche Messdaten. Zudem fordert der Kanton jedes Jahr einen Bericht ein, in dem die erhobenen Messwerte detailliert ausgewiesen werden. Darüber hinaus wird alle drei Jahre eine externe, unabhängige Firma damit beauftragt, Kontroll- und Vergleichsmessungen durchzuführen. Selbstverständlich werden auch die so erhobenen Messdaten dem Kanton zugestellt.
Ebenfalls in der Luftreinhalteverordnung festgelegt ist die Höhe des Kamins. Beim HKW Aarberg beträgt diese 50 m und bei der KVA Thun sogar 72 m. An der Mündung des Kamins in Thun befindet sich ein sogenannter «Windausgleich». Dabei handelt es sich um einen schweren Kessel, der um den Kamin herumfahren kann. Durch die Gewichtverlagerung wird sichergestellt, dass der Kamin bei starken Winden nicht knicken kann.
Haben Sie Fragen?
Bei weiterführenden Fragen zur Rauchgasreinigung in der KVA Thun oder im HKW Aarberg helfen wir Ihnen gerne weiter.